Bakery Jatta (* 6. Juni 1998 in Gunjur) ist ein gambischer Fußballspieler. Er steht seit Juli 2016 beim Hamburger SV unter Vertrag.
Karriere
Im Verein
Flucht nach Deutschland
Jatta wuchs nach eigenen Aussagen ohne Eltern in Gambia auf. Er sei im Zuge der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 durch die Sahara, über das Mittelmeer und Italien aus dem westafrikanischen Staat nach Deutschland gekommen. Dort wurde er im niedersächsischen Bothel in der Nähe von Bremen in die Akademie von Lothar Kannenberg – eine Jugendhilfe- und Bildungseinrichtung – aufgenommen. Die Akademie vermittelte Jatta, der laut seinen eigenen Angaben bis dahin nur gelegentlich an Wochenenden in einer Art Fußballschule und ansonsten auf der Straße Fußball gespielt hatte, ein Probetraining bei der A-Jugend von Werder Bremen. Für den SV Werder kam er in einem Testspiel zwischen einer Auswahl aus Jugendspielern und der zweiten Mannschaft von Hannover 96 zum Einsatz. Werder Bremen bot Jatta daraufhin einen Vorvertrag an, den dieser allerdings ablehnte, da ihm nur ein festes Arbeitsverhältnis einen Aufenthaltstitel mit dem Beginn der Volljährigkeit im Juni 2016 gesichert hätte.
„Ich habe in Afrika in keinem Verein gespielt, das gab es dort nicht, höchstens mal am Wochenende konnte man ein betreutes Training mitmachen. Ansonsten waren wir auf uns gestellt, wir haben auf der Straße Fußball gespielt und uns selbst die Dinge beigebracht.“
Profi beim Hamburger SV
Anfang Januar 2016 absolvierte Jatta ein zweitägiges Probetraining bei den Bundesliga-Profis des Hamburger SV und hinterließ laut Trainer Bruno Labbadia einen guten Eindruck. Da eine Erstregistrierung eines minderjährigen Spielers, der nicht Staatsbürger des Landes ist, in dem er erstmals registriert werden möchte, unzulässig ist, durfte er allerdings zunächst nicht verpflichtet werden. In der Folge trainierte Jatta mit seinem Individualtrainer und nahm abends am Training des Oberligisten Bremer SV teil; gleichzeitig ging er noch zur Schule und lernte Deutsch. Eine Woche nach seinem 18. Geburtstag unterzeichnete Jatta am 13. Juni 2016 einen Dreijahresvertrag beim HSV, was für weltweite Berichterstattung sorgte. Im August 2016 erhielt er einen an das Arbeitsverhältnis gekoppelten Aufenthaltstitel bis zu seinem Vertragsende 2019. Einen Asylantrag stellte Jatta nicht.
Anfang September 2016 erhielt er seine Spielberechtigung für Pflichtspiele. Wenige Tage später erzielte Jatta bei seinem Pflichtspieldebüt für die zweite Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga Nord beide Treffer beim 2:0-Sieg gegen den BSV Rehden[16] und eine Woche später ebenfalls zwei Tore beim 3:1-Sieg gegen den VfV 06 Hildesheim. Am 30. Oktober 2016 stand er beim Auswärtsspiel gegen den 1. FC Köln erstmals bei einem Pflichtspiel im Kader der ersten Mannschaft des Hamburger SV. Sein Bundesligadebüt absolvierte Jatta unter Markus Gisdol am 16. April 2017 bei der 1:2-Auswärtsniederlage gegen Werder Bremen, als er in der Schlussphase eingewechselt wurde. Insgesamt absolvierte Jatta in seinem ersten Jahr beim HSV 6 Bundesligaspiele ohne Torerfolg sowie 16 Regionalligapartien, in denen ihm 11 Tore gelangen.
In der Saison 2017/18 kam Jatta unter den Trainern Markus Gisdol, Bernd Hollerbach und Christian Titz auf 10 Bundesligaeinsätze. Daneben spielte er 10-mal in der zweiten Mannschaft, in der er 8 Tore erzielte. Nachdem der HSV in die 2. Bundesliga abgestiegen war, kam Jatta zum Beginn der Saison 2018/19 unter Titz nur zu einer Einwechslung und spielte 11-mal in der Regionalliga Nord (ein Tor). Nachdem Hannes Wolf die Mannschaft Ende Oktober 2018 übernommen hatte, kam er in den 8 übrigen Spielen bis zur Winterpause zum Einsatz (5-mal in der Startelf) und erzielte 2 Tore. In der Winterpause verlängerte Jatta seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag bis zum 30. Juni 2024, wodurch sich auch sein Aufenthaltstitel in Deutschland dementsprechend verlängerte. Auch nach der Winterpause behauptete Jatta seinen Stammplatz, sodass für ihn am Saisonende insgesamt 25 Zweitligaeinsätze (19-mal von Beginn) zu Buche standen, in denen er 4 Tore erzielte. Der HSV erreichte mit ihm erstmals seit 2009 das Halbfinale des DFB-Pokals, wobei Jatta bei der 1:3-Niederlage gegen RB Leipzig den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte. In der Liga verpasste der HSV mit dem vierten Platz den direkten Wiederaufstieg.
In der Nationalmannschaft
Anfang September 2019 äußerte der Cheftrainer der deutschen U21-Nationalmannschaft, Stefan Kuntz, dass es Pläne gebe, Jatta bei der Einbürgerung zu unterstützen. Jatta wäre für die Olympischen Spiele 2020 und für die U21-Europameisterschaft 2021 spielberechtigt. Ende Oktober 2019 entschied sich der DFB, Jatta nicht bei der Einbürgerung zu unterstützen.
Ende Oktober 2019 wurde Jatta von Tom Saintfiet für die Afrika-Cup-Qualifikationsspiele der gambischen Nationalmannschaft im November nominiert. Jatta kam der Nominierung jedoch nicht nach.
Kontroverse um Identität
Nach dem Probetraining beim Hamburger SV im Januar 2016 kamen Zweifel am Alter des nach seiner Auskunft 17-Jährigen auf. Untersuchungen im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ergaben, dass Jattas biologische Entwicklung bereits abgeschlossen sei. Der damalige HSV-Sportdirektor Peter Knäbel teilte mit, dass es keinerlei Zweifel am Alter gebe.
Am 7. August 2019 veröffentlichte die Sport Bild das Ergebnis ihrer Recherchen, nach denen der Verdacht naheliege, dass Jatta 2015 unter einer falschen Identität nach Deutschland eingereist sei und sich drei Jahre jünger ausgegeben hat. Demnach handle es sich bei Jatta um den gambischen Fußballspieler Bakary Daffeh (* 1995), der für verschiedene Vereine in Gambia (u. a. Brikama United), Nigeria und im Senegal sowie in Gambias U20-Nationalmannschaft gespielt hat. Damit wäre er zum Zeitpunkt seiner Einreise bereits 19 Jahre alt und somit volljährig gewesen und hätte seine vor einer Abschiebung schützende Duldung als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nicht erhalten können. Zwei gambische Trainer hätten auf Fotos des HSV-Spielers Daffeh erkannt. Zudem könne über 2015 hinaus kein weiteres Spiel für Daffeh mehr nachgewiesen werden.
Dem Hamburger SV waren die Recherchen bereits eine Woche zuvor bekannt gewesen, weshalb der Verein Jatta zu den Anschuldigungen befragte. Dieser blieb bei seiner Darstellung, als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland eingereist zu sein, nicht Bakary Daffeh zu sein und noch nie zuvor organisiert Fußball gespielt zu haben. Zudem erkundigte sich der HSV bei der DFL nach der Spielberechtigung Jattas. Laut der DFL lägen stichhaltige Dokumente vor, weshalb sich an der Spielberechtigung nichts ändere. Nach der Veröffentlichung der Sport Bild nahmen der DFB-Kontrollausschuss und die für Jatta zuständige Ausländerbehörde, das Bezirksamt Hamburg-Mitte, Ermittlungen auf.
Der Hamburger SV stellte sich hinter Jatta und forderte vom DFB und der DFL eine eindeutige und schnellstmögliche Positionierung, um einen rechtssicheren Ablauf des Pokal- und Punktspielwettbewerbs sicherzustellen. Der HSV betonte, dass Jatta seit drei Jahren einen gültigen Pass und eine Spielerlaubnis besitze, und kündigte an, ihn weiterhin vollumfänglich im Trainings- und Spielbetrieb einzuplanen. Die DFL bestätigte daraufhin bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit Jattas Spielberechtigung.
Am 9. August 2019 berichtete Der Spiegel unter Berufung auf Dokumente von Football Leaks, dass der HSV bereits im Januar 2016 den Zweifeln hinsichtlich der Identität Jattas nachgegangen sei. Demnach habe ein Spielerberater einen HSV-Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass er aus verlässlichen Quellen erfahren habe, Jatta heiße mit richtigem Namen Bakary Daffeh. Beim Versuch, den Hinweisen nachzugehen, habe der Mitarbeiter aber keine Beweise finden können, die Jatta be- oder entlasten könnten.
Am selben Tag berichtete das Hamburger Abendblatt, dass Jatta laut der Bremer Innenbehörde im Sommer 2015 zunächst ohne gültigen Reisepass eingereist sei. Danach habe er in Gambia einen Reisepass beantragt, der per Post nach Deutschland geschickt worden sei und den 27. Januar 2016 als Ausstellungsdatum trage. Auf Nachfrage des Bremer Migrationsamts habe das Honorargeneralkonsulat der Republik Gambia in Köln die Ausstellung des neuen Reisepasses bestätigt. Laut dem Spielerpass, mit dem Jatta von der Gambia Football Federation für den Hamburger SV die internationale Freigabe erteilt wurde, war er vom 1. Februar 2014 bis 2016 als Spieler von Brikama United geführt. Dies deckt sich mit den Daten im Transfer-Registrierungs-System (TRS) der FIFA: Jatta war vom 1. Februar 2014 bis zum 30. Juni 2016 bei Brikama United registriert, Daffeh bis November 2013.
Der 1. FC Nürnberg (0:4, 2. Spieltag), der VfL Bochum (0:1, 3. Spieltag) und der Karlsruher SC (2:4, 4. Spieltag) legten Einspruch gegen die Wertung ihrer Niederlagen gegen den HSV, bei denen Jatta zum Einsatz gekommen war, mit der Begründung ein, dass seine Spielberechtigung aufgrund einer anderen Identität unwirksam sei.
Am 2. September 2019 stellte das Bezirksamt Hamburg-Mitte die Ermittlungen gegen Jatta ein, da aus den vorliegenden Unterlagen keine belastbaren Anhaltspunkte hervorgingen. Kurz darauf zogen der 1. FC Nürnberg, der VfL Bochum und der Karlsruher SC ihre Einsprüche zurück.
Am 19. September 2019 berichtete die Bild/Sport Bild, dass Jatta im Jahr 2015 bei den Bremer Behörden den Namen Bakary Daffeh in seiner E-Mail-Adresse angegeben habe. Das Sozialzentrum Gröpelingen/Walle habe am 3. September 2019 Kopien von Jattas Personalbogen bei der Polizei Bremen mit dem Hinweis eingereicht, dass es große Ungereimtheiten in dem Fall gebe. Auf Nachfrage des Norddeutschen Rundfunks bestätigte die Bremer Staatsanwaltschaft die erneute Prüfung des Sachverhalts. Wenige Wochen später gab sie jedoch bekannt, keine Ermittlungen vorzunehmen; der Fall sei aus ihrer Sicht abgeschlossen.
bisherige Clubs
11/2019 - 06/2020 | Hamburger SV II | Mittelfeld |
07/2016 - 06/2019 | Hamburger SV II | Mittelfeld |