Wehen Wiesbaden schießt die Arminia in die 3. Liga

Die Arminia verliert auch das zweite Relegations-Spiel gegen Wehen Wiesbaden mit 1:2 (Hinspiel 0:4).

Somit steht fest: Erstmals seit acht Jahren spielt Bielefeld wieder drittklassig. Dabei fing alles so hoffnungsvoll an. Klub-Legende Fabian Klos schießt sein Team früh in Führung (4.). Doch noch vor der Pause drehen die Wiesbadener das Spiel und sorgen für den zweiten Bielefeld-Abstieg in Folge.

Immerhin: Nach den Ausschreitungen Bielefelder Fans in Wiesbaden blieb es auf der Alm zunächst weitgehend ruhig. Kapitän Fabian Klos (4.) ließ die Arminia mit seinem 171. Treffer im 420. Spiel für seinen Herzensklub auf das Fußball-Wunder hoffen. Doch Hollerbach (35./45.+2), der vor einem Wechsel nach Köln steht, stellte die Weichen auf Wehens Zweitliga-Rückkehr nach drei Jahren Drittklassigkeit.

„Das fühlt sich jetzt ein paar Tage richtig scheiße an, ich hab es schon mal erlebt. Wir haben es damals als Chance gesehen, ich hoffe, dass wir es dazu jetzt nutzen“, sagte Klos bei Sat.1 und kündigte an, er wolle bei der Rückkehr als Spieler helfen. Die Stimmung unter den 24.000 Zuschauern war zunächst feindselig und gegen die eigene Elf gerichtet. „Wir sind Arminen und ihr nicht!“, schallte es den Profis beim Warmmachen entgegen. Bei der Verlesung der Mannschaftsaufstellung setzte es ein Pfeifkonzert. Trainer Uwe Koschinat betonte, die Mannschaft habe am Ziel direkter Wiederaufstieg „vom ersten Tag an zu knabbern gehabt. Es hat sich nie eine klare Hierarchie hinter Fabian Klos ergeben“, das Fan-Idol sei „aufs Abstellgleis geschoben“ worden.

Der Coach, dessen Zukunft offen ist, brachte fünf Neue um Klos, „frische Kräfte, die unverbraucht mit der Gesamtsituation umgehen“. Das Ziel: „Die Fans, die bereit sind zur Versöhnung, mit dem absoluten Willen in kleinen Schritten zurückzugewinnen“, sagte er bei Sat.1. Die Führung nach einem Torwartfehler von Florian Stritzel war ein Anfang. Bielefeld blieb dran, Oliver Hüsing (26.) köpfte an die Latte. Doch mit dem Konter zum 1:1 war der letzte Glaube dahin, die Stimmung wurde bald gespenstisch ruhig. „Außer Fabi könnt ihr alle gehen“, sangen die Fans in der Schlussphase. In der zweiten Hälfte gewährte der 16-jährige Angreifer Henrik Koch bei seinem Profidebüt einen Blick in die mögliche Arminia-Zukunft. Doch ob es dem designierten neuen Sportchef Michael Mutzel gelingt, ihn zu halten, ist offen wie vieles.

Insgesamt steigt Bielefeld vor allem wegen der katastrophalen Defensive ab. In der regulären Saison hatte es 62 Gegentore gehagelt, in der Relegation kamen weitere sechs hinzu. Wehen Wiesbaden hatte das passende Pendant dazu: Hollerbach mit 17 Saisontoren inklusive Relegation und sein Nebenmann Ivan Prtajin mit 16 stellen das beste Sturmduo in den drei deutschen Top-Ligen. Der SVWW feierte den dritten Aufstieg in die 2. Liga nach 2007 und 2019. Doppelpacker Hollerbach jubelte: „Wir haben uns belohnt für eine richtig gute Saison. Jetzt dürfen wir auch mal zwei Stunden feiern.“ Sein Coach Markus Kauczinski sagte: „Ich freue mich brutal für die Mannschaft. Wir haben gute und gefährliche Jungs, die auch aus dem Nichts Tore machen können, deshalb haben wir uns auch nicht als Außenseiter gefühlt. Der große Trumpf war der Zusammenhalt.“

Arminia-Fans pfeifen schon vor dem Anpfiff

Für die Arminia hatte die Tortur in diesem Rückspiel schon eine Dreiviertelstunde vor dem Anpfiff begonnen. Als die Mannschaft zum Warmmachen aus den Katakomben kam, setzte es sofort ein gellendes Pfeifkonzert aus der eigenen Kurve, es gab wütende Sprechchöre wie: „Wir sind Arminen und ihr nicht!“ Dazu wurde auch noch ein Riesen-Transparent ausgerollt: „Elf Spieler, die elf Söldner sind“, hieß es da, was zumindest in Bezug auf den seit zwölf Jahren für die Bielefelder stürmenden Klos natürlich blanker Hohn war.

Klos stand dann auch in der Startelf, obwohl er nach dem in jeder Hinsicht verheerenden Hinspielau

ftritt mit einem 0:4 und schweren Ausschreitungen der Bielefelder Anhängerschaft seine Teamkollegen hart kritisiert hatte: „Diese Mannschaft ist keine Mannschaft.“ Neben Klos hatte Coach Koschinat vier weitere Neue gebracht, aber auch ehrlich zugegeben: „Es geht nicht darum, mit hehren Zielen ins Spiel zu gehen, dafür sitzen die Ereignisse von Freitag zu tief. Wir wollen anders auftreten und gewinnen.“

Klos in der Startelf, Klos mit der Führung

Der Wille war da, der Weg tatsächlich zunächst auch. Bielefeld begann druckvoll, Klos setzte schon nach zwei Minuten mit einem Foul an der Seitenlinie ein Zeichen für seine Mitspieler. Kurz danach reckte er die Faust in die Höhe. Ein langer Abschlag von Keeper Martin Fraisl rutschte durch bis zu Stürmer Bryan Lasme, der perfekt für Klos querlegte. Der zog aus 18 Metern volley ab und erwischte Wehens Torhüter Florian Stritzel eiskalt: Unter seinem Körper flutschte der harte, aber haltbare Ball zum 1:0 durch.

Die Fankurve honorierte das Bemühen mit zunächst noch verhaltener Anfeuerung, die aber nach einer Mittelfeld-Grätsche von Sebastian Vasiliadis deutlich lauter wurde. Und Bielefeld versuchte nachzulegen. Defensiv zwar durchaus anfällig, ergaben sich im Spiel nach vorne aber weitere Chancen: Nach Lasmes Solo klärte Gino Fechner nur mit viel Mühe (15. Minute), Sekunden später verpasste Oliver Hüsing völlig freistehend per Kopf das 2:0.

Bielefelds Hüsing trifft nur die Latte, Wehens Hollerbach gleicht aus

Wehen setzte zwar immer wieder vielversprechende Konter, wackelte aber defensiv enorm. In der 25. Minute half das Glück bei einem weiteren Hüsing-Kopfball, der an die Latte klatschte. Sekunden später fischte Stritzel den Abschluss von Jomaine Consbruch so gerade noch aus dem rechten Eck.

Das 2:0 wäre hochverdient gewesen, doch der Chancenwucher rächte sich in der 35. Minute. Bei einem langen Befreiungsschlag von Stritzel verschätzte sich Arminia-Verteidiger Andres Andrade komplett und sprang unter dem Ball durch. Prtajin schickte seinen Sturmkollegen Benedict Hollerbach steil, der frei vor Fraisl die Ruhe behielt und mit dem 1:1 für Ruhe auf den Rängen sorgte.

Rückstand zur Pause, Koschinat bringt 16-Jährigen

Die Bielefelder bemühten sich weiter, schleppten aber auch ihre Probleme im Abschluss und im defensiven Umschaltspiel durch: Nachdem Stritzel einen Klos-Schuss stark pariert hatte, köpfte Consbruch den Abpraller am leeren Tor vorbei (43.). Wiesbaden konterte eiskalt, in der Nachspielzeit der ersten Hälfte setzte sich Hollerbach am linken Strafraumeck viel zu simpel gegen zwei Arminen durch, seinen Schuss fälschte Hüsing unhaltbar für Fraisl ab – mit dem 2:1 waren in Bielefeld jegliche Hoffnungen auf das Wunder erloschen.

Koschinat reagierte in der Pause und brachte neben Silvan Sidler den erst 16-jährigen Henrik Koch – es ging also im zweiten Durchgang bereits mehr um die Zukunft als um die Gegenwart. Auf dem Platz war anschließend die Parole, die Sache vernünftig über die Bühne zu bringen, weiter dagegenzuhalten, nicht unterzugehen.

Klos-Abschied – vermutlich noch nicht für immer

Das gelang auch ordentlich, mit einem emotionalen Höhepunkt in der 81. Minute: Klos wurde ausgewechselt und von den Fans lautstark gefeiert. Er hatte ja schon nach dem Hinspiel-Desaster angekündigt, so nicht aufzuhören, sondern zur Not auch in der 3. Liga nochmal die Knochen hinhalten zu wollen – mehr gute Nachrichten gab es in dieser Relegation für Bielefeld definitiv nicht.

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